Lebensretter gesucht

Kreis Euskirchen. Wenn das Herz eines Menschen zu schlagen aufhört, geht es um jede Sekunde. In rund 180 Fällen pro Jahr rückt der Rettungsdienst im Kreis Euskirchen zu solchen Herz-Kreislauf-Stillständen aus. Um Leben zu retten und das Zeitfenster bis zum Eintreffen eines Notarztes zu überbrücken, wurde nun durch die Initiative „Region Aachen rettet“ der Startschuss für eine Smartphone-basierte Ersthelferalarmierung gegeben. Qualifizierte Helferinnen und Helfer, die sich in der Nähe eines Notfallortes befinden, können durch die Rettungsleitstelle gezielt alarmiert werden und mit ersten Maßnahmen zur Wiederbelebung beginnen.

Therapiefreies Intervall muss verkürzt werden

Es ist ein Kampf gegen die Uhr, denn bereits nach vier Minuten können irreversible Schäden bei den Betroffenen entstehen, erläutert Jesko Priewe, einer der beiden ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes im Kreis Euskirchen. „Der Herzkreislaufstillstand ist eine Volksseuche, die deutschlandweit mehr Tote fordert, als Verkehrsunfälle“, berichtet der Internist und Kardiologe. Krankenhäuser und der Rettungsdienst seien inzwischen hervorragend vorbereitet. Sorgen bereitet Priewe aber das erste Glied der sogenannten Rettungskette, die Ersthelfer. Denn noch immer scheuen sich zu viele Menschen, Hilfe zu leisten und eine Laienreanimation einzuleiten. „Wenn wir die Laienhelferquote steigern, können bei uns im Kreis Euskirchen pro Jahr bis zu 30 Menschen mehr überleben“, so Priewe. Seine Zuversicht schöpft der Notfallmediziner aus Projekten in skandinavischen Ländern, in denen diese Quote nachhaltig gesteigert werden konnte. „Je kürzer das therapiefreie Intervall ist, umso größer sind die Überlebenschancen der Patienten und deren Aussicht auf ein normales Leben ohne bleibende Schäden“, berichtet Jesko Priewe.

Helfer werden als Privatpersonen tätig

Der Kreisfeuerwehrverband Euskirchen unterstützt das Projekt und ruft interessierte Einsatzkräfte auf, sich als Ersthelfer zu registrieren. Allerdings erfolgt die Mitwirkung als Privatperson, also nicht im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes nach dem BHKG NRW. „Wir sprechen nicht von einem First-Responder-System, wie es in anderen Bundesländern praktiziert wird“, so Priewe. „Helferinnen und Helfer sollen nach einer Alarmierung unmittelbar am Notfallort helfen. Sie werden dabei als ,Verwaltungshelfer´ tätig und sind im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung abgesichert, erläutert Priewe.

Das System basiert auf eine Smartphone-App, bei der sich Interessierte ab dem 18. Lebensjahr registrieren und einen Nachwies über ihre Qualifizierung zum Ersthelfer (bspw. Erste-Hilfe-Lehrgang) hochladen. Nach einer mehrstündigen Fortbildung durch den Kreis Euskirchen werden die Accounts der potenziellen Ersthelferinnen und -helfern aktiviert. Sie erhalten zudem ein kleines Set mit Hygieneartikel.

Noch mangelt es im Kreis an öffentlichen Defibrillatoren

Läuft in der Rettungsleitstelle eine Meldung über eine Reanimation ein, werden jene Smartphone-Besitzer alarmiert, die sich in der Nähe befinden. „Wir arbeiteten mit drei Ersthelferinnen und -helfern. Zwei von ihnen fahren zum Patienten, der Dritte erhält Daten zu öffentlich zugänglichen Defibrillatoren und führt diesen nach“, so Priewe. „Allerdings gibt es nach unseren Recherchen bislang nur 23 von diesen öffentlich zugänglichen Geräten im Kreis. Unser Ziel ist es, die Anzahl in den kommenden Jahren zu erhöhen.“

Eine Besonderheit der Anwendung ist, dass Ersthelferinnen und Ersthelfer bspw. auch während eines Einkaufsbummels in der Städteregion Aachen alarmiert werden können – also überall dort, wo die App durch die örtlichen Rettungsleitstellen genutzt wird. Dennoch rechnet Priewe mit einem sehr geringen Einsatzaufkommen für den Einzelnen. Aber das System lebt davon, dass sich möglichst viele Menschen registrieren und mitwirken. „Nur so haben wir eine Chance, flächendeckend innerhalb von wenigen Minuten Leben zu retten“, findet der Notfallmediziner.

Alleine gelassen werden die Ersthelferinnen und Ersthelfer nach einem Einsatz nicht. Die ärztliche Leitung des Rettungsdienstes nimmt nach jedem Einsatz Kontakt mit ihnen auf und bietet auch die Möglichkeit einer Einsatznachbereitung an. Selbstverständlich stehen den Ersthelferinnen und -helfern auch Angebote der psychosozialen Notfallversorgung offen.

Die Registrierung erfolgt über das Portal Corehelper. Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite https://regionaachenrettet.de/ der Initiative „Region Aachen rettet.“

(Oliver Geschwind, Geschäftsführer KFV Euskirchen)